Spiel des Jahres 2021 - Die Erfinder von Micro Macro im Interview

«Ich habe schon beim Anspielen gemerkt, dass ich das Spiel unbedingt verlegen muss.»

Kleinste Details in einem überwältigenden grossen Ganzen - damit begeistert «Micro Macro» seine Fans. Kaum ausgezeichnet als Spiel des Jahres 2021 folgt mit «Crime City 2 - Full House» bereits der Nachfolger.

Warum selbst Landkartenproduzenten beim Druck an ihre Grenzen stiessen und wie es zur Idee kam, erzählen die drei Entwickler Johannes Sich, Daniel Goll und Tobias Jochinke sowie Verleger Michael Schmitt im Interview.

Wie seid ihr auf die Spielidee von «Micro Macro» gestossen und wie kam es zur Veröffentlichung?

Daniel Goll: Die ersten Überlegungen zu dem Spiel gab es schon Ende 2016. Wie jedes Jahr waren wir auf der Messe «Spiel» und unterhielten uns über Spielideen. Da wir über Deutschland verteilt leben, ist das immer eine sehr intensive Zeit mit viel Austausch.

Tobias Jochinke: Wir waren mit «La Cosa Nostra» auf der Messe und in einer Pause haben Daniel und ich die Neuheitenshow besucht. Bei einem Aufbauspiel, das man in die Höhe stapeln musste, sprachen wir über Nähe und Abstand, über Details, über Fern- und Nahsicht. Ein paar Minuten später trafen wir Johannes und wir unterhielten uns weiter über einen möglichen Ansatz, in Bezug auf kleinste Details und ein grosses Ganzes.

Daniel Goll: Dabei kam die Idee auf, mit der Zoomfunktion des Smartphones ein Suchspiel zu gestalten, in dem es Dinge zu entdecken gibt, die so erst mal nicht erkennbar sind. Wir hatten ein Foto von einer Mücke gemacht um zu sehen, ob es sich um eine Tigermücke handelt. Der Zoom Effekt liess uns nicht mehr los.

Johannes Sich: Diese vage Idee reifte zunächst über mehrere Monate. Immer deutlicher kristallisierte sich heraus, dass das «Lösen von optischen Rätseln» sich am besten mit einem Detektiv Thema verwirklichen liesse und dass die «detailreiche Welt» wohl eine Stadt sein würde. Am Ende stand die Vision: Es sollte eine grosse Stadt werden, in der man an verschiedenen Stellen Hinweise entdecken kann, Zusammenhänge erschliessen und Lösungen herleiten muss.

Michael Schmitt: Ich habe von dem Spiel zum ersten Mal im Herbst 2018 gehört, als mir ein gemeinsamer Freund davon vorgeschwärmt hat. Zum ersten Mal gesehen habe ich es Anfang 2019 und habe schon beim Anspielen gemerkt, dass ich das unbedingt verlegen muss.

Was hat dich als Verleger besonders begeistert?

MicroMacroMichael Schmitt: Ich bin mit den Wimmelbüchern von Ali Mitgutsch aufgewachsen und habe diese sehr geliebt. Als mir Johannes einen frühen Prototyp vorgestellt hat, war ich sofort begeistert. Es ist die perfekte Fortsetzung dieses Prinzips, denn während früher die meisten Bilder dieser Art statisch waren, erzählt der Plan von «Micro Macro» ganze Geschichten. Selten hatte ich bei einem Prototyp so ein starkes Bedürfnis, das Spiel unbedingt machen zu wollen. Ich halte «Micro Macro» für das bisher beste Spiel in der noch jungen Geschichte der Edition Spielwiese.

Welche Herausforderungen gab es bei der Umsetzung?

Johannes Sich: Zu Beginn war es die grösste Herausforderung, das Spielkonzept als solches grundlegend zu testen. Ob es überhaupt funktioniert, Spass macht. Normalerweise macht man Alpha Tests mit sehr rudimentären Prototypen, in denen noch nicht viel Arbeit steckt. Meist erfährt man durch die ersten Tests recht schnell, dass man sowieso alles anders machen muss. Bei «Micro Macro» jedoch widersprach das dem Grundprinzip des Spiels – der aufwändige Detailreichtum der riesigen Illustration ist ja gerade der Kern des Spiels.

Tobias Jochinke: In der Startphase haben wir viel in die unterschiedlichen Möglichkeiten der Detailtiefe und der Spielbarkeit gesteckt. Wie kann man alles gleichzeitig im Macro sehen und im Micro dann die Spuren verfolgen und Hinweise entdecken? Zu dieser Zeit haben wir mit unseren unterschiedlichen Backgrounds dann in den Bereichen Tests gemacht. Probedrucke, erste Stories, Prototypen und Testspiele.

Michael Schmitt: Die Produktion eines solchen Spiels ist im Vergleich zu anderen Spielen nicht trivial. Es war wirklich schwer, eine Druckerei zu finden, die nicht nur mit der Grösse des Spielplans, sondern auch mit dem Detailreichtum zurecht kommt. Alles, selbst die Falzung des Plans, konnte nicht dem Zufall überlassen bleiben.

Gab es während der Entwicklung Momente, die sich euch besonders eingeprägt haben?

Johannes Sich: Ich erinnere mich an einen der allerersten Tests mit dem rudimentären ersten Fall. Als die Gruppe den Fall gelöst hatte, wollte sie unbedingt weiterspielen. Sie waren ernsthaft enttäuscht, dass noch keine weiteren Stories existierten. Da wurde mir klar: «Ja, es funktioniert. Wir müssen schleunigst weitere Fälle entwickeln!»

Tobias Jochinke: Für mich war einer der spannendsten Momente, als der erste Testdruck aus der Druckerei kam und wir feststellen konnten: «Das klappt, das wird richtig gut.» Detailgrad, Linienstärke passten und wir waren sehr nah dran am finalen Spielgefühl.

Michael Schmitt: Nachdem ich das Spiel für die Edition Spielwiese gesichert hatte, ging es daran, es meinen Partnern wie Pegasus, Ass als Produzenten und meinen internationalen Partnerverlagen vorzustellen. Es gab bei allen diesen Terminen niemanden, der nicht sofort überzeugt war. Einer wollte den Prototypen gar nicht mehr heraus rücken, ein anderer meinte, er hätte in der Nacht von dem Spiel geträumt.

Wie kam es zu der Entscheidung, den Spielplan in Schwarzweiss zu belassen? Und wie lange hat es gedauert, bis er fertig war?

Michael Schmitt: Es war schwer genug, eine Druckerei zu finden, die so fein drucken kann, dass auf dieser Spielplan-Grösse die schiere Menge an Details erhalten bleibt. Ein farbiger Spielplan wäre noch viel schwieriger zu realisieren gewesen und hätte auch der Übersichtlichkeit nicht gutgetan. Selbst Landkartenproduzenten stiessen da an ihre Grenzen.

Johannes Sich: Der Spielplan ist sukzessive immer weitergewachsen. Zunächst war es nur eine Betonwüste mit sich gleichenden Häuserblocks,  dann kamen immer mehr Details und individuelle Gebäude dazu. Es war ein Prozess von über zwei Jahren.

Tobias Jochinke: Wir haben uns für die reduzierte Darstellung entschieden, damit sie der Stadt und der Architektur gerecht wird. Wir haben viele grafische Optionen ausprobiert und sind dann final bei der reduzierten Darstellung angekommen.

Johannes Sich: Da die Illustrationen anfangs aus Effizienzgründen recht grob waren, und sich der finale Illustrationsstil  erst im Laufe des Projekts entwickelt hat, musste am Ende so ziemlich jedes Element noch einmal überarbeitet werden. Die Illustration in Schwarzweiss zu halten, war zunächst eben dieser Effizienz geschuldet. Doch wir merkten schnell, dass den Spieler*innen diese Optik gefiel, und wir haben sie auch liebgewonnen.

Daniel Goll: Ein grosser Vorteil davon ist auch, dass man von Weitem schnell Orte anhand ihres Grauwertes erfassen kann – wo sich zum Beispiel viele Personen aufhalten, erscheint die Karte von Weitem dunkler.

Was ist die ideale Zusammensetzung und Gelegenheit, um «Micro Macro» zu spielen?

Crime City 2Michael Schmitt: Auch wenn sich das Spiel sehr gut alleine spielen lässt und es ein kooperatives Spiel ist, wo die Gruppengrösse eigentlich keine Rolle spielt, besteht die ideale Gruppe aus vier bis fünf Spielern, die Lust haben auf das Lösen von Rätseln. Es ist ein sehr «aktives» Spiel, bei dem man sich um den Tisch bewegt. Johannes Sich: Das Spiel eignet sich wunderbar als Filler Game, aber auch genauso gut als abendfüllendes Spiel.

Daniel Goll: Die lustigsten Runden hatten wir mit Leuten, die sich gegenseitig schon kannten und innerhalb ihrer Gruppe schon ihre eigenen Problemlösungsstrategien hatten. Die Stärke von Micro Macro kommt so richtig zur Geltung, wenn die Gruppe laut über den Fall spricht, Thesen aufstellt und somit eigene Geschichten entwickelt.

Was dürfen Spieler*innen von «Crime City 2 - Full House» erwarten?

Johannes Sich: Es spielt in der gleichen Stadt, jedoch in einem anderen Stadtteil. Es gibt 16 neue Fälle zu lösen. Die Mechanik bliebt im Grunde die gleiche wie im ersten Teil, doch was die Rätsel angeht, sind ein paar neue Kniffe hinzugekommen. Wir haben versucht, sowohl die Spieler*innen glücklich zu machen, die sich für Kinder geeignete Stories gewünscht haben, als auch die, die komplexere Fälle wollten. Ich denke, uns ist da eine gute Mischung gelungen. Mein persönlicher Eindruck ist, dass der zweite Teil noch vielseitiger und spannender geworden ist als der erste - ich bin total gespannt was die Spieler*innen dazu sagen werden!

Quelle: Ringbote 3/2020, Copyright © 2021 Pegasus Spiele
Zum Original-Interview: https://pegasus.de/ueber-uns/service/ringbote-magazin/

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